Bei der Endokarditis handelt es sich um eine bakteriell verursachte, subakut oder hochakut verlaufende Entzündung des Endokards (Herzinnenhaut), die mit einer hohen Mortalität (Sterblichkeitsrate) einhergeht.
Da im Rahmen zahnärztlicher Eingriffe Bakterien aus der Mundhöhle ins Blutgefäßsystem übertreten können und dort eine transitorische (vorübergehende) Bakteriämie (Vorhandensein von Bakterien im Blut) verursachen, besteht die Gefahr, dass diese Bakterien bei Patienten mit bestimmten Risikofaktoren eine Endokarditis auslösen. Die bakterielle Besiedlung des Endokards soll durch eine sogenannte Endokarditisprophylaxe in Form von prophylaktischen Antibiotikagaben verhindert werden.
Bei gefährdeten Patienten liegen turbulente Strömungen an Engstellen oder Endokardläsionen im Herzen vor. Dort können sich Thromben (Blutgerinnsel) dem Endokard auflagern, die wiederum von den Endokarditis auslösenden Bakterien besiedelt werden.
In der Endokarditisprophylaxe hat in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden: die verschiedenen Fachgesellschaften haben ihre Empfehlungen zur Antibiotikagabe, die zuvor bei Patienten mit Herzfehlern (auch Herzfehlbildung, Herzvitium) oder Herzklappenerkrankungen auf breiter Basis routinemäßig durchgeführt wurde, stark eingeschränkt. Hintergrund des geänderten Vorgehens sind die folgenden Tatsachen:
- Es muss davon ausgegangen werden, dass alltägliche Hygienemaßnahmen wie die Zahnpflege und sogar der Kauvorgang selbst regelmäßig zu Bakteriämien führen. Sollte ein Patient auf Grund seines Allgemeinzustands empfänglich für die Entstehung einer Endokarditis sein, so könnte mit der passageren Antibiotikagabe im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung ohnehin nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Endokarditiden verhindert werden.
- Es fehlen für das Konzept der Endokarditisprophylaxe entsprechende standardisierte Studien am Menschen, die die Effektivität und Effizienz der Prophylaxe beweisen; vielmehr beruht das Vorgehen auf Fallberichten, tierexperimentellen Studien und teilweise uneinheitlichen Expertenmeinungen.
In einem weiteren Punkt ist sich die Expertenschaft ebenfalls einig: Eine gute Mundhygiene und gute zahnärztliche Versorgung mit Füllungen, ggf. Zahnersatz und Entzündungsfreiheit des Zahnhalteapparates sind für die gefährdeten Patienten als Prophylaxe einer infektiösen Endokarditis von großer Bedeutung.
Zwar kann die Zahnpflege selbst auch Bakteriämien verursachen, gerade aus diesem Grunde ist es aber wichtig, die Zahl der in der Mundhöhle ansässigen Keime unter Ausreizung aller Möglichkeiten durch hervorragende Mundhygiene auf ein Minimum zu reduzieren.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Von allen Fachgesellschaften wird eine Prophylaxe nur noch für Hochrisikopatienten empfohlen, bei denen eine Endokarditis im Erkrankungsfall mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schweren bzw. letalen (tödlichen) Verlauf nehmen würde:
- Patienten mit mechanischem oder biologischem Herzklappenersatz
- Patienten mit rekonstruierten Klappen aus alloplastischem Material (diese Materialien sind dem Knochengewebe ähnlich, werden aber synthetisch hergestellt) in den ersten sechs Monaten nach der Operation; das Material ist nach diesem Zeitraum vollständig mit Endokard überzogen und darin integriert
- Patienten mit überstandener Endokarditis, da diese bei Neuerkrankung eine höhere Komplikationsrate haben
- Patienten mit angeborenen zyanotischen Herzfehlern (= Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt; diese zeichnen sich durch die Zyanose – bläuliche Verfärbung der Haut oder Schleimhäute – aus, die durch die Umgehung des Lungenkreislaufs zustande kommt.), die operativ gar nicht oder palliativ mit einem systemisch-pulmonalen Shunt (Verbindung zwischen System- und Lungenkreislauf) versorgt sind
- Patienten mit operierten Herzfehlern mit implantierten Conduits (mit und ohne Klappe) oder residuellen Defekten, wodurch turbulente Strömungen, d. h. turbulente Blutströmungen im Bereich des prothetischen Materials entstehen
- alle operativ oder interventionell mit prothetischem Material behandelten Herzfehler in den ersten sechs postoperativen Monaten
- herztransplantierte Patienten mit kardialer Valvulopathie (Herzklappenschäden)